Am 18. November 2021 fand die mit ca. 60 Teilnehmenden gut besuchte Fachtagung der Gütegemeinschaft Sekundärbrennstoffe und Recyclingholz e. V. (BGS) auf dem Gut Havichhorst in Münster statt. In diesem Jahr stand diese unter dem Motto: „Gütegesicherte Sekundärbrennstoffe als Beitrag zum Klima- und Ressourcenschutz“. Trotz der coronabedingt kurzfristigen Durchführung als Hybrid-Veranstaltung fand ein intensiver Austausch zu hochaktuellen Themen statt.
So erläuterte Johanna Weppel (ASA e. V.) in ihrem Vortrag die Auswirkungen des Klimaschutzgesetzes und des BEHG auf die stoffspezifische Abfallbehandlung, dass alle Abfallbehandlungsverfahren einen Beitrag zum Klimaschutz leisten und die stoffspezifische Abfallbehandlung ein wichtiger Bestandteil der Abfallwirtschaft ist. Die Aufbereitung der heizwertreichen Bestandteile im Abfall zu hochaufbereiteten Sekundärbrennstoffen und anschließende Mitverbrennung weist hohe spezifische Einsparungspotenziale für Treibhausgase auf. Wird zukünftig die Verbrennung von Siedlungsabfall und daraus erzeugten Ersatzbrennstoffen durch das BEHG in den Emissionshandel einbezogen, so sollte der Gesetzgeber die Einnahmen für die Förderung neuer, innovativer Techniken einsetzen und Forschung und Entwicklungsarbeiten im Bereich des chemischen Recyclings sowie des Einsatzes von Wasserstoffes nutzen, insbesondere da eine Lenkungswirkung hin zu Investitionen in klimafreundliche F & E-Aktivitäten v. a. bei höheren CO2-Preisen zu erwarten ist.
Über die Grundlagen zur Evaluierung der Gewerbeabfallverordnung berichtete Nadine Muchow (IFEU, Berlin). Die technische Ausstattung der Vorbehandlungsanlagen wurde ebenso betrachtet wie die Ouputfraktionen, die durch die Behandlung separiert werden, und deren Verwertungswege. Eine Befragung von Aufbereitungsanlagen ergab, dass ca. 40 % eine technische Ausstattung, wie in der aktuellen Gewerbeabfallverordnung vorgegeben, aufweisen. Anlagen, die diese Anforderungen nicht erfüllen, nutzen häufig keine NIR-Aggregate zur Abtrennung von Holz und/oder PPK. Anlagen, die nur gemischte Siedlungsabfälle behandeln, erreichen trotz Sortierquoten oberhalb von 95 % die in der aktuellen Gewerbeabfallverordnung geforderten Recyclingquoten (30 %) nicht; Anlagen, die gemischte Siedlungsabfälle und Bau- und Abbruchabfälle aufbereiten, können diese aufgrund der deutlich höheren Materialdichten eher erreichen.
Zum alternativen Brennstoffeinsatz in der Zementindustrie und dessen Rolle bei der Dekarbonisierung von Zement und Beton referierte Dr. rer. nat. Stefan Schäfer (VDZ). Die größte Herausforderung für die Zukunft sieht er im Klimaschutz; auch vor dem Hintergrund, dass ca. 2/3 der CO2-Emissionen bei der Zementklinkerherstellung aus dem Prozess selber stammen und somit nicht vermeidbar sind. Lediglich 1/3 ist auf den Brennstoffeinsatz zurückzuführen. Bereits heute werden nahezu 75 Masse-% bzw. fast 70 % des gesamten Brennstoffenergiebedarfs der deutschen Zementindustrie durch alternative Brennstoffe gedeckt. Voraussetzungen für eine erfolgreiche Transformation sind i. W. in fünf zentrale Handlungsfelder zu unterteilen, die von der Verfügbarkeit erneuerbarer Energien und Stromnetze über einen geeigneten Rahmen für Innovation und Wettbewerbsfähigkeit bis hin zu einer geeigneten Infrastruktur für den CO2-Transport sowie einen Konsens über den Technologiemix der Zukunft gehen. Gütegesicherte Sekundärbrennstoffe werden hier auch weiterhin eine Rolle spielen.
Der Recyclingindex bei der Mitverbrennung in der Zementindustrie war Thema zwei weiterer Vorträge. Dr. Renato Sarc (Montanuniversität Leoben (MUL), Österreich) erläuterte den Hintergrund und den Weg hin zu einer internationalen Norm für den „Recyclingindex“. Aktuell ist ein Entwurf erarbeitet, mit dem zwei verschiedene Recyclingindices berechnet werden können. Der sog. R-index4 berücksichtigt die chemischen Verbindungen Al2O3, CaO, Fe2O3, SiO2. Beim R-index9 werden weitere wertgebende Bestandteile berücksichtigt (K2O, MgO, Na2O, SO3, TiO2). Für die Weiterentwicklung der Norm wird derzeit ein internationaler Ringversuch vorbereitet, mit dem die Datenbasis noch einmal verbessert wird. Sigrid Hams (BGS e. V.) hat die Frage des Recyclingindexes in gütegesicherten Sekundärbrennstoffen (SBS®) und deren Umsetzung in der Gütesicherung beleuchtet. Die im Rahmen eines Projektes mit der MUL untersuchten gütegesicherten Sekundärbrennstoffe weisen einen mittleren Aschegehalt (bestimmt bei 815 °C) von ca. 7 – 8 Masse-% TS auf. Die Aschezusammensetzung zeigt, dass die Summe der Verbindungen, die für den R-index9 berücksichtigt werden ca. 97 bis 98 % des Aschegehaltes ergibt. Die Verbindungen, die für den R-index4 berücksichtigt werden, haben einen mittleren Anteil an der Asche von 82 bis 83 %. Für eine vereinfachte Berechnung könnten darauf aufbauend entsprechende Faktoren abgeleitet werden. Der Recyclingindex soll zukünftig auch in der Gütesicherung für SBS® ausgewiesen werden.
Jürgen Ephan (REMONDIS Recycling GmbH & Co KG) führt aus, dass für Kunststoffe ein Übergang von der Linearwirtschaft über eine Kreislaufwirtschaft zur Rohstoffwirtschaft nur durch ein gut entwickeltes mechanisches Recycling kombiniert mit einem gut entwickelten chemischen Recycling zu erreichen sei. Bis zum Jahr 2050 wird ein Anstieg der Kunststoffproduktion um das Fünffache des Volumens von 2019 erwartet, welcher eine echte Rohstoffwirtschaft erfordert. Vor diesem Hintergrund wird eine hohe Nachfrage nach Pyrolyseöl aus gemischten Kunststoffabfällen mit steigender Tendenz prognostiziert (von über 1 Mio. Mg/a im Jahr 2025 auf über 2 Mio. Mg/a bis 2030). Mit dem chemischen Recycling könnten z. B. gemischte Polyolefin (PO)-Folien (mit hohem Anteil an PO) aus einer Leichtverpackungssortieranlage zu Naphta, welches der chemischen Industrie als Grundstoff dient, verarbeitet werden. Engpass sind hier derzeit die verfügbaren Technologien für das chemische Recycling. Für einen langfristigen Absatz in der chemischen Industrie ist weiterhin die End of waste-Eigenschaft festzulegen. Darüber hinaus fehlt derzeit noch eine umfassende ökologische Bewertung.
Herr Miltos Zervas (enervis energy advisors GmbH) berichtete über ein Projekt zur Ermittlung des Förderbedarfs der Umstellung von Kohlekraftwerken auf einen Betrieb mit Biomasse. Hiermit soll ein CO2-armer und systemdienlicher Weiterbetrieb von bestehenden Kraftwerken ermöglicht werden. Von den Stromgestehungskosten kann ein Großteil am Markt gedeckt werden (ca. 7,5 ct/kWh); ca. 3,7 ct/kWh werden im Durchschnitt als Förderbedarf wirksam. Hierfür wurde ein CFD-Fördermodell vorgeschlagen; Kraftwerke mit geeignetem Standort für eine Biomassezulieferung können bereits mit ca. 3 ct/kWh (2,4 ct/kWh) finanziert werden. Anschließend beleuchtete Simon Obert (BAV e V.) die Auswirkungen der Umstellung von Kohlekraftwerken auf Biomasse auf den Altholzmarkt. Er stellte die aktuelle Verwertung des Altholzaufkommens in Deutschland dar. Bereits heute wird das Altholz nahezu vollständig stofflich (ca. 20 %) und energetisch (ca. 80 %) verwertet. Mit der Umrüstung von Kohlekraftwerken auf Biomasse würde die politisch gewollte dezentral organisierte Verwertung von Altholz auf wenige große Standorte reduziert werden. Aufgrund fehlender weiterer CO2-Einsparungen sei ein Altholzeinsatz in Kohlekraftwerken im Vergleich zur aktuellen Verwertungsstruktur auch nicht vorteilhaft.
Im Anschluss an die Fachveranstaltung ließen die Teilnehmenden die Veranstaltung bei Fingerfood, Getränken und intensiven Gesprächen ausklingen.
Stand: November 2021
Auskunft erteilt: Gütegemeinschaft Sekundärbrennstoffe und Recyclingholz e. V., Fachbereich 6, Corrensstraße 25, D-48149 Münster, Fon: +49 (0) 251 83 65 290, Fax: +49 (0) 251 83 65 260